Ein aktuelles Urteil des Landgerichts Hamburg im Fall des Rammstein-Sängers Till Lindemann wirft ein Schlaglicht auf die juristischen Möglichkeiten, sich gegen rufschädigende Äußerungen zur Wehr zu setzen. Der Fall, der in den Medien große Beachtung fand, unterstreicht die Bedeutung des Unterlassungsanspruchs als zentrales Instrument zum Schutz des Persönlichkeitsrechts. Dieser Artikel beleuchtet die rechtlichen Hintergründe und erläutert, wie Betroffene gegen Verleumdung, üble Nachrede und andere Formen der Rufschädigung vorgehen können.
Inhalt
- Der Fall Lindemann: Ein Sieg für das Persönlichkeitsrecht
- Rechtliche Grundlagen: Wann ist eine Äußerung rechtswidrig?
- Der Unterlassungsanspruch: Das schärfste Schwert gegen Rufschädigung
- Der Weg zur Unterlassung: Von der Abmahnung zur Klage
- Fazit: Aktiver Schutz der eigenen Reputation
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Der Fall Lindemann: Ein Sieg für das Persönlichkeitsrecht

Im Zentrum des Rechtsstreits stand die Klage von Till Lindemann gegen die nordirische Konzertbesucherin Shelby Lynn. Das Landgericht Hamburg entschied (Az. 324 O 76/24), dass Lynn nicht länger behaupten dürfe, sie sei von Lindemann oder jemandem aus der Band unter Drogen gesetzt worden [1]. Dieser Sieg in einem zentralen Punkt der Auseinandersetzung verdeutlicht, dass unwahre Tatsachenbehauptungen, die geeignet sind, den Ruf einer Person erheblich zu beschädigen, juristisch nicht hingenommen werden müssen. Das Urteil hat Signalwirkung und könnte, wie die FAZ kommentiert, auch Folgen für die Medienberichterstattung in ähnlichen Fällen haben [1].
Rechtliche Grundlagen: Wann ist eine Äußerung rechtswidrig?
Das deutsche Recht schützt die persönliche Ehre und den guten Ruf einer Person durch verschiedene rechtliche Regelungen. Im Strafrecht sind dies vor allem die sogenannten Beleidigungsdelikte, die in den Paragrafen 185 bis 187 des Strafgesetzbuches (StGB) geregelt sind.
| Straftatbestand | Paragraf | Beschreibung |
| Beleidigung | § 185 StGB | Eine ehrverletzende Äußerung, die direkt gegenüber dem Betroffenen oder über ihn gegenüber Dritten geäußert wird. |
| Üble Nachrede | § 186 StGB | Die Behauptung und Verbreitung einer nicht erweislich wahren Tatsache, die geeignet ist, den Betroffenen verächtlich zu machen. Die Beweislast für die Wahrheit liegt beim Äußernden. |
| Verleumdung | § 187 StGB | Die Behauptung und Verbreitung einer Tatsache wider besseres Wissen, also bewusst unwahr, um den Betroffenen zu schädigen. |
Neben dem strafrechtlichen Schutz bietet das Zivilrecht effektive Instrumente, um die Verbreitung rufschädigender Äußerungen zu unterbinden. Der wichtigste Anspruch ist hier der Unterlassungsanspruch.
Der Unterlassungsanspruch: Das schärfste Schwert gegen Rufschädigung
Der zivilrechtliche Unterlassungsanspruch zielt darauf ab, eine andauernde oder drohende Rechtsverletzung für die Zukunft zu unterbinden. Er ist unabhängig von einem Verschulden des Äußernden und hat sich in der Praxis als das effektivste Mittel zum Schutz des Persönlichkeitsrechts erwiesen.
Voraussetzungen des Anspruchs
Die rechtliche Grundlage für den Unterlassungsanspruch findet sich in den Paragrafen 1004 und 823 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in Verbindung mit dem durch das Grundgesetz geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Um einen Unterlassungsanspruch geltend zu machen, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
1.Rechtsverletzung: Es muss eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vorliegen. Dies ist der Fall bei unwahren Tatsachenbehauptungen oder bei Schmähkritik, die die Person diffamieren soll und nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt ist.
2.Rechtswidrigkeit: Die Rechtsverletzung muss rechtswidrig sein. Bei unwahren Tatsachenbehauptungen ist die Rechtswidrigkeit in der Regel gegeben, da diese nicht vom Schutz der Meinungsfreiheit umfasst sind. Es findet eine Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und der Meinungsfreiheit des Äußernden statt, bei der das Persönlichkeitsrecht bei unwahren Tatsachen überwiegt.
3.Begehungsgefahr: Es muss die Gefahr bestehen, dass die rechtswidrige Äußerung wiederholt wird (Wiederholungsgefahr) oder erstmals getätigt wird (Erstbegehungsgefahr). Eine Wiederholungsgefahr wird nach einer bereits erfolgten Rechtsverletzung vermutet.
Ein entscheidender Vorteil für Betroffene ist die Beweislastumkehr: Nicht der Betroffene muss die Unwahrheit der Behauptung beweisen, sondern der Äußernde muss die Wahrheit seiner Aussage belegen können [2].
Der Weg zur Unterlassung: Von der Abmahnung zur Klage
Betroffene haben mehrere Möglichkeiten, ihren Unterlassungsanspruch durchzusetzen.
Die Abmahnung ist in der Regel der erste und schnellste Schritt. Der Verletzer wird außergerichtlich aufgefordert, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Damit verpflichtet er sich, die Äußerung zukünftig zu unterlassen und für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe zu zahlen. Zudem muss er die Anwaltskosten des Betroffenen erstatten [3].
Reagiert der Verletzer nicht oder weigert er sich, die Unterlassungserklärung abzugeben, kann der Anspruch gerichtlich durchgesetzt werden. Hier gibt es zwei Wege:
•Einstweilige Verfügung: In eiligen Fällen, was bei Rufschädigungen im Internet fast immer der Fall ist, kann vor Gericht eine einstweilige Verfügung beantragt werden. Das Gericht kann dem Verletzer die Äußerung dann innerhalb weniger Tage oder Wochen vorläufig untersagen. Hierfür gilt eine Dringlichkeitsfrist von in der Regel etwa einem Monat ab Kenntnis der Rechtsverletzung [3].
•Unterlassungsklage: Das Hauptsacheverfahren dient der endgültigen Klärung des Unterlassungsanspruchs. Es dauert in der Regel länger als das Eilverfahren, führt aber zu einem endgültigen Titel, der die Unterlassungspflicht festschreibt.
Fazit: Aktiver Schutz der eigenen Reputation
Der Fall Lindemann zeigt exemplarisch, dass das deutsche Recht wirksame Mittel zur Verfügung stellt, um sich gegen Rufschädigung zu wehren. Der Unterlassungsanspruch ist dabei das zentrale Instrument. Gerade im digitalen Zeitalter, in dem sich unwahre Behauptungen rasend schnell verbreiten und dauerhaft im Netz verbleiben können, ist ein schnelles und konsequentes Handeln entscheidend. Betroffene sollten daher nicht zögern, ihre Rechte mit anwaltlicher Hilfe durchzusetzen und so ihre Reputation und ihre Persönlichkeitsrechte aktiv zu schützen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was ist der Unterschied zwischen übler Nachrede und Verleumdung?
Bei der üblen Nachrede (§ 186 StGB) wird eine rufschädigende Tatsache behauptet, deren Wahrheit nicht bewiesen werden kann. Die Beweislast liegt hier beim Äußernden. Bei der Verleumdung (§ 187 StGB) behauptet der Täter eine rufschädigende Tatsache, von der er weiß, dass sie unwahr ist. Die Verleumdung ist also die wissentliche Verbreitung einer Lüge und wird härter bestraft.
Was sollte ich als Erstes tun, wenn ich von Rufschädigung betroffen bin?
Sichern Sie Beweise (z.B. Screenshots, URLs, Zeugenaussagen) und kontaktieren Sie umgehend einen auf Medien- und Persönlichkeitsrecht spezialisierten Anwalt. Der erste Schritt ist in der Regel eine außergerichtliche Abmahnung mit der Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung.
Wie schnell muss ich handeln?
Sehr schnell. Für den Antrag auf eine einstweilige Verfügung, das schnellste gerichtliche Mittel, gilt in der Regel eine Frist von etwa einem Monat ab dem Zeitpunkt, an dem Sie von der rufschädigenden Äußerung Kenntnis erlangt haben. Zögern Sie also nicht, rechtlichen Rat einzuholen.
Muss ich immer vor Gericht gehen?
Nein. Viele Fälle lassen sich bereits außergerichtlich durch eine Abmahnung und die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung klären. Dies ist oft der schnellere und kostengünstigere Weg. Ein Gerichtsverfahren wird erst dann notwendig, wenn der Gegner die Unterlassungserklärung nicht abgibt.
Was bedeutet “strafbewehrt” in einer Unterlassungserklärung?
“Strafbewehrt” bedeutet, dass sich der Unterzeichner der Erklärung verpflichtet, im Falle eines erneuten Verstoßes gegen die Unterlassungspflicht eine empfindliche Vertragsstrafe an den Betroffenen zu zahlen. Dieses Strafversprechen dient dazu, die Ernsthaftigkeit der Unterlassung zu untermauern und zukünftige Verstöße zu verhindern.